In unserem letzten Artikel haben wir gezeigt, dass es sich leicht rechtfertigen lässt, für einen Mitarbeiter mit einem Bruttoeinkommen von CHF 6’000 pro Monat einen Stundensatz von mehr als CHF 200 zu verrechnen, wenn man alle Kostenfaktoren konsequent berücksichtigt. Im folgenden Artikel zeigen wir, wieso die Unterschiede von Branche zu Branche so gross sind und welche Faktoren sich wie auf den Stundensatz auswirken. Daneben stellen wir am Ende des Artikels ein Excel-Berechnungsfile zum Download bereit, mit dem diese Effekte durchgerechnet werden können.
Stundensätze in der Praxis
Die Realität in der Schweiz zeigt etwa folgendes Bild: Während die Stundensätze für Anwälte und Steuerberater bei rund CHF 250 anfangen und CHF 400 ohne Weiteres übersteigen können, sehen wir für andere Fachspezialisten – wie zum Beispiel für qualifizierte IT-Spezialisten – Stundensätze, die weit darunter liegen (vielleicht bei CHF 150). Klar, es gibt auch IT-Spezialisten, die einen Stundensatz von CHF 400 verrechnen, aber das ist eher nicht die Regel. Wieso ist das eigentlich so? Der Grund liegt meistens nicht darin, dass Erstere höher qualifiziert sind oder dass es dort eher einen Mangel gibt, der die Stundensätze in die Höhe treibt. Das Gegenteil ist der Fall, momentan besteht eher ein grosser Mangel an qualifizierten Informatikern. Natürlich kann man nun auch damit argumentieren, dass Programmier-Arbeiten, im Gegensatz zu juristischen Tätigkeiten, besser outgesourct werden können und dadurch ein höherer Preisdruck entsteht. Es gibt jedoch auch noch weitere Gründe, die rein mit der Art des Einsatzes der entsprechenden Arbeitskraft in Verbindung stehen.
Ein wichtiger Grund unterschiedlicher Stundensätze liegt in der Tatsache begründet, dass es sich um Repeating Business vs. kurzfristige Projektarbeit handelt. Denn während ein Anwalt oder ein Treuhänder oft viele kleine Projekte bearbeitet, bei denen er nicht 100% seiner effektiven Zeit verrechnen kann, währenddessen er gleichzeitig laufend neue Projekte akquirieren muss, sind IT-Projekte oft über Monate, wenn nicht gar Jahre angelegt, was die Akquisitionskosten und nicht verrechenbare Zeit entsprechend stark reduziert.
Wie lässt sich der Stundensatz reduzieren?
Jeder Anbieter von Auftragsarbeit auf Stundenbasis ist bestrebt, einen möglichst günstigen Stundensatz anbieten zu können. Denn tiefere Stundensätze verschaffen ihm gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil und damit ein höheres Auftragsvolumen. Ansatzpunkte für eine solche Kostenreduktion könnten sein:
- Reduktion bei den Vollkosten: Löhne können gesenkt, günstigere Offices gemietet, Büroräumlichkeiten enger bestuhlt, auf einen Teammanager verzichtet oder die Teamgrösse erhöht werden etc. Alle diese direkten und indirekten Kosten wurden in diesem Artikel bereits diskutiert. Das Einsparpotenzial ist in diesem Punkt allerdings eher beschränkt. Tiefere Löhne oder generell schlechtere Arbeitsbedingungen können zudem die Qualität der Mitarbeiter bzw. deren Arbeit negativ beeinflussen. Daher ist genau abzuwägen, ob sich Einsparungen in diesem Bereich netto tatsächlich positiv auswirken.
- Ein zweiter Ansatzpunkt sind Einsparungen oder Effizienzsteigerungen beim Verkauf und im Marketing. In unserem Beispiel sind die Vollkosten von rund CHF 99/h bis zu einem effektiven Stundensatz von rund CHF 219 angewachsen. Das ist mehr als eine Verdoppelung bei einem korrekten Einbezug von Verkaufs- und Marketingkosten! Aber auch hier führen Einsparungen nicht zwingend zu tieferen Stundensätzen (oder vielleicht nur kurzfristig), denn der Service muss auch verkauft werden. Es braucht auch keine Expertenkenntnisse, um zu erkennen, dass Reduktionen an dieser Stelle zu geringerer Auslastung der Mitarbeiter und damit umgekehrt wiederum zu höheren Stundensätzen führen könnte. Wenn es allerdings gelingt, durch Effizienzsteigerungen beim Vertrieb und im Marketing Vorteile herauszuschlagen, kann sich das sehr wohl lohnen, wie wir weiter unten an einem Berechnungsbeispiel zeigen werden.
- Noch besser wäre, wenn man sich die Marketingkosten komplett sparen oder zumindest deutlich reduzieren könnte. Es ist intuitiv sofort klar, dass eine solche Situation erstrebenswert ist. In diesem Artikel zeigen wir an einem Beispiel, dass hier der ganz grosse Hebel zu finden ist und wie viel dies tatsächlich ausmachen kann. Es gibt verschiedene Ansätze, die Projektgrösse zu erhöhen:
- Kleine Projekte können durch grössere Projekte ersetzt werden. Nur: Leichter gesagt als getan. Man könnte jedoch trotzdem versuchen, zum Beispiel mit abgestuften Stundensätzen zu arbeiten und kleinere Projekte zu verteuern oder umgekehrt grössere Projekte billiger anzubieten. Eine solche Praxis ist vielerorts auch zu sehen.
- Daneben gibt es die Möglichkeit, Einzelprojekte in «Repeating Business» umzuwandeln. Damit entfallen die erneuten Akquisitionskosten. Auch dies ist gängige Praxis und das «as-a-Service-Modell» wird häufig angestrebt.
Effizienzsteigerungen beim Verkauf und Marketing
Am Beispiel einer PPC (Pay per Click)-Marketing Strategie mit anschliessender Offertenstellung (wie im Berechnungsfile) zeigen wir den Effekt verschiedener Einflussfaktoren auf den Stundensatz. Im Basisszenario gibt es monatlich 1000 Klicks auf die Website, von denen 1% in Projektanfragen konvertieren – also 10 Anfragen pro Monat. Von diesen 10 Anfragen (bzw. verschickten Offerten) ergeben sich dann effektiv zwei Projekte (20%). Nun kann man versuchen
- die Anzahl der Klicks zu steigern,
- die Conversion Rate zu erhöhen oder
- die Erfolgsrate einer Offerte zu erhöhen.
Anzahl der Klicks steigern
Die Anzahl der Klicks kann man beispielsweise, wie in diesem Beispiel, verdoppeln, indem mehr Online-Marketing betrieben wird. Hier nehmen wir an, dass eine Verdoppelung des Marketingbudgets zu doppelt so vielen Klicks führen (auf die Stunde umgerechnet bleibt der Anteil des Online-Marketings dann konstant bei CHF 30). Insgesamt wird man so, ceteris paribus, doppelt so viele Projektstunden verkaufen können. Die restlichen Fixkosten verteilen sich dadurch auf die doppelte Anzahl Stunden und durch diese Fixkostendegression können tiefere Stundensätze angeboten werden.
Conversion Rate für Lead erhöhen
Ein «Lead» bezeichnet die Anfrage für eine Offerte und man kann versuchen, den Prozentsatz an Website-Besuchern, die in einem Lead konvertieren, zu steigern. Natürlich ist dies einfacher gesagt als getan. Mögliche Massnahmen wären (Verbesserung UX-Design, besserer Websiteauftritt etc.). Diese Zusatzkosten haben wir in unserem Excel-File jedoch nicht berücksichtigt. Es halbieren sich – gemessen an den Anzahl Stunden – so alle Marketingkosten mit Ausnahme der Bearbeitung der Anfragen, denn diese sind nun ja auch doppelt so viele.
Steigerung Erfolgsrate der Offerte
Indem man beispielsweise die Offerte optimiert, neu gestaltet sonst attraktiver gestaltet und dadurch mehr Projekte an Land zieht, können die Marketing- und Akquisitionskosten so auf mehr Stunden umgelegt werden. Die gesamten Marketing- und Akquisitionskosten können so reduziert werden, was einen entsprechend starken Effekt auf den Stundensatz hat.
Die Effekte dieser Verbesserungen sind in der untenstehenden Grafik ersichtlich. Es handelt sich bei dieser Berechnung um isolierte Einzeleffekte der Verbesserungen. In der Praxis wäre es beispielsweise wohl schwierig, die Conversion Rate einfach so zu verdoppeln, hingegen könnte eine Kombination von verschiedenen Verbesserungen durchaus zu besseren Ergebnissen führen.
Projektgrösse erhöhen
Anstatt mühsam die Kosten für Verkauf und Marketing zu optimieren, könnte man versuchen, die Akquisitionskosten pro Projektfranken zu senken, indem man die Projektgrösse erhöht. Das ist natürlich nicht immer möglich, doch es gibt Ansätze, die in diese Richtung zielen. In letzter Zeit sieht man den Begriff «as as service» immer häufiger: Software as a Service, platform as a service, infrastructure as a service, transport as a service… Das alles ist im Prinzip nichts Neues, sondern dient letztlich einfach dazu, regelmässige Einkünfte zu erzielen, anstatt diese mühsam immer wieder einzeln zu akquirieren. Je besser es also gelingt, bestehende Kunden an sich zu binden und eine langfristige Zusammenarbeit aufzubauen, desto bessere Konditionen können diesem Kunden angeboten werden. Durch solches «Repeating Business» steigt faktisch die Projektgrösse an.
In folgender Darstellung zeigen wir den Effekt der Projektgrösse auf den Stundensatz (für unser Beispiel im Excel-File). Anmerkung: Die Effekte auf den Stundensatz in dieser Grafik sind deshalb so ausgeprägt, weil eine starke Fixkostendegression stattfindet. In der Realität dürfte der Effekt nicht ganz so stark sein, da die einzelnen Inputvariablen sich wiederum selbst beeinflussen dürften. Zum Beispiel würde man wahrscheinlich – zumindest langfristig – die Marketingkosten reduzieren, wenn man merkt, dass man weniger Projektstunden verkauft und wenn diese Marketingkosten in einem unguten Verhältnis zum Umsatz stehen. Im Excelfile können alle diese Inputfaktoren individuell geändert werden.
Ein Tipp zum Schluss: Akquisitions- und Marketingkosten lassen sich natürlich auch reduzieren, indem Kunden durch Weiterempfehlung gewonnen oder indem laufende Projekte verlängert werden. Eine Voraussetzung dafür ist, konstant qualitativ hochwertige Arbeit abzuliefern.
2 Comments
Max
Juli 20, 2023 @ 11:47
Sehr geehrter Herr Stirnemann
Mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen zur Bestimmung des Stundensatzes gelesen. Dazu habe ich zwei Anmerkungen:
a) Obwohl die Berechnungen nachvollziehbar sind, scheinen mir die Stundensätze im Resultat doch sehr hoch. Niemand wird Stundensätze von mehr als 350 Fr bezahlen! Irgendwas scheint in dieser Berechnung vergessen gegangen zu sein…
b) Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in letzter Zeit die Recruiting-Kosten stark gestiegen sind, diese Kosten finde ich in Ihrem File allerdings nicht.
Mit freundliche Grüssen
Max
Philipp Stirnemann
Juli 24, 2023 @ 15:31
Guten Tag Max
a) Die Stundensätze sind stark abhängig von der Branche und weiteren Faktoren wie der Seniorität des Dienstleisters. CHF 350/h sind tatsächlich hoch, aber solche Stundensätze gibt es natürlich schon. Und wie ich am Beispiel gezeigt habe, ist ein Faktor eben auch die Projektgrösse. Gerade bei kleineren Aufträgen werden vielleicht nicht alle Stunden voll verrechnet, dafür diese wenigen zu höheren Stundensätzen. Anwälte in Zürich beispielsweise verlangen CHF 250 aufwärts. Im Treuhandbereich bewegen sich die Stundensätze auch ab CHF 150/h und im Audit je nach Seniorität auch einiges höher. Es gibt dafür auch gute Gründe.
b) Das Recruiting kann tatsächlich ein wesentlicher Kostenfaktor sein, vor allem mit der heutigen Generation Z 😊 Im Excel-File haben wir das nicht explizit eingebaut, aber man könnte es beispielsweise unter der Kategorie „Weiterbildung“ einrechnen.
Beste Grüsse
Philipp Stirnemann
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