Mehrwertsteuer bei kulturellen Veranstaltungen
Written by Mauro Bonzanigo on Februar 27, 2023 in Steuern

Nicht selten werden Eintritts- bzw. Veranstaltungstickets munter ohne vorgängige Abklärungen verkauft, ab und zu noch in Kombination mit weiteren, völlig sachfremden Leistungen. Steht Jahre später eine Mehrwertsteuerprüfung an und stellt sich heraus, dass die verkaufte Leistung wider Erwarten doch mehrwertsteuerpflichtig gewesen wäre, dann droht das finanzielle Desaster. Häufig muss der Unternehmer Tausende von Franken an Mehrwertsteuer aus der eigenen Tasche nachzahlen – denn auf die Tickets wurde nie eine Mehrwertsteuer erhoben. Allein schon als Vorsichtsmassnahme empfehlen wir Kulturschaffenden und Kulturunternehmern dringend, diesen Artikel zu lesen.

Kleinigkeiten sind entscheidend

Aus gutem Grund erreichen uns immer wieder Fragen, wie die Mehrwertsteuer bei kulturellen Veranstaltungen (z.B. Eintrittstickets) genau gehandhabt werden soll, denn der Teufel steckt eben im Detail. Als kulturelle Veranstaltung werden alle gesellschaftlichen Veranstaltungen gewertet, die einen kulturellen, artistischen oder unterhaltenden Charakter enthalten. Als Erstes stellt sich die Frage, welche Leistungen in diese Kategorie fallen und welche nicht. Als Zweitens verkompliziert sich die Situation, da oft zwei zusammenhängende Leistungen verkauft werden, wobei sich die Frage der Abgrenzung bzw. der Behandlung der Nebenleistung stellt. Wir zeigen dies im Blog anhand von einigen Beispielen.

Es hält sich hartnäckig die Meinung, dass nur eine Kulturleistung vorliegen könne, wenn keine Gewinnabsicht besteht. Dies ist nicht zutreffend. Eine Kulturleistung kann genauso von einem gewinnorientierten Unternehmen angeboten und verkauft werden wie von einer Non-Profit Organisation. Bei der Beurteilung wird lediglich auf den Charakter des Kerns der Dienstleistung abgestellt.

Einige Beispiele von kulturellen Dienstleistungen bzw. Veranstaltungen sind:

  • Theater-, Opern-, Musical, Tanz-, Konzert-, und Filmvorführungen
  • Darbietungen von Schauspielern, Musikern, Tänzern und anderen Künstlern (Illusionisten, Zauberkünstlern, Schlangenmenschen, Feuerspeiern, Schwertschluckern u. Jongleuren)
  • Installationen und Geschicklichkeitsspiele, die nicht fest verankert sind und die von Schaustellern betrieben werden (Geisterbahnen, Karusselle, Berg- und Talbahnen, Riesenräder, Autoscooter, Achterbahnen, Spiegellabyrinthe, Flugsimulatoren, Schiessbuden, Büchsenwerfen u. Ringwurfspiele)
  • Eintritte in Tanz- oder Musiklokale wie Diskotheken und Dancings.
  • Entgelte für die Benützung der Anlagen von Schaustellern («Chilbi»).

Laut Artikel 21 Ziffer 14 Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) sind kulturelle Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer (MWST) ausgenommen. Veranstaltungen hingegen, die einen Werbecharakter ausweisen, wie zum Beispiel Produktpräsentationen durch einen Organisator der Veranstaltung sowie Handels- und Gewerbeausstellungen, sind zum Normalsatz von 7.7% steuerbar. Ab 1. Januar 2024 steigt der Normalsatz auf 8.1%.

Wichtig: Vorsteuerabzug nur bei freiwilliger MWST-Unterstellung

Für kulturelle Dienstleistungen besteht kein Recht zum Vorsteuerabzug! Es ist allerdings möglich, kulturelle Dienstleistungen freiwillig zum reduzierten Satz von 2.5% zu versteuern (sogenannte freiwillige Optierung). Auf den Preis der Kulturdienstleistung ist sodann zusätzlich 2.5% Mehrwertsteuer zuzuschlagen und zu entrichten. Nur in diesem Fall besteht das Recht zum Vorsteuerabzug.

Von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen sind zwei Umsatzarten:

  • Erbringung bezahlter Gegenleistungen (z.B. Eintrittsticket)
  • Gagen der vorführenden Künstler

Erbringung bezahlter Gegenleistungen (z.B. Eintrittsticket)

Erbringung bezahlter Gegenleistungen (z.B. Eintrittsticket)

Gagen der vorführenden Künstler

Gagen der vorführenden Künstler

Werden innerhalb eines Jahres Leistungen oder Gagen von weniger als CHF 100’000 Gegenwert verbraucht, dann liegt eine Befreiung von Mehrwertsteuerpflicht vor, die auch für jedes Unternehmen ausserhalb des Kulturbereichs gilt. Dies ist insbesondere hilfreich, wenn nicht eindeutig bestimmbar ist, ob eine angebotene «Kulturleistung» tatsächlich als eine «echte» Kulturleistung im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes gewertet wird.

Bieten nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Vereine kulturelle Dienstleistungen an, dann liegt beine Steuerbefreiung (von der Mehrwertsteuer) bis zu einem Jahresumsatz von maximal CHF 150’000 vor. Wichtig ist in diesem Fall, genau zu prüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für diesen Sonderstatus erfüllt sind. Eine Steuerbefreiung gilt erst, wenn sie vom Steueramt schriftlich bestätigt ist.

Unterscheidung von Haupt- und Nebenleistung

Bei kulturellen Dienstleistungen mit mehreren Dienstleistungs- oder Produktkomponenten muss klar zwischen Haupt- und Nebenleistungen unterschieden werden. Im Grundsatz gilt, dass die Nebenleistung(en) mehrwertsteuerlich gleich behandelt wird wie die Hauptleistung.

Eine Nebenleistung ist im Gegensatz zur Hauptleistung nebensächlich, nur ergänzend, komplementär und hängt von der Hauptleistung ab bzw. ist eng oder häufig untrennbar mit ihr verbunden. Allgemeines Beispiel ist die Hauslieferung eines Lebensmitteleinkaufs und das nötige Verpackungsmaterial.

Beispiel 1

Bei einem ist zu beurteilen, ob dessen Preis nur den Eintritt abdeckt oder ob auch andere Dienstleistungen darin enthalten sind. Ein Beispiel für eine Nebenleistung wäre ein Freigetränk beim Eintritt in einen Nachtclub. Da das Getränk wertmässig im Vergleich zum Eintritt geringer einzustufen ist, ist der Clubeintritt als Hauptleistung zu werten und das Freigetränk als Nebenleistung. Resultat: Das Eintrittsticket inklusive Freigetränk ist von der Mehrwertsteuer ausgenommen.

Ticket Festival inklusive Freigetränk

Beispiel 2

Eine prunkvolle Darbietung in einem prominenten Opernhaus wird durch ein Abendessen begleitet. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Operndarbietung die Hauptleistung darstellt. Indizien dafür sind der Veranstaltungsort, der Fokus der Veranstaltung und der wertmässig hohe Eintrittspreis der Veranstaltung, der ein Mehrfaches eines äquivalenten Abendessens in einem gehobenen Restaurant beträgt.

Ticket Opernaus inklusive Abendessen

Beispiel 3

Beim Kauf eines übergrossen Lebkuchens im Wert von CHF 25 an einem lokalen Jahrmarkt erhält der Käufer zusätzlich als «Dankeschön» eine kostenlose Fahrt im benachbarten Autoscooter. Da beide Leistungen am Jahrmarkt stattfinden, gibt es hier eine sachliche Verbindung, auch wenn sie nicht zwingend erscheint. Die Autoscooter-Fahrt ist hier als Nebenleistung zu werten. Die Fahrt ist für sich betrachtet eine kulturelle Dienstleistung und daher von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Der Lebkuchen ist allerdings ein gewöhnliches der Mehrwertsteuer unterstelltes Produkt, daher wird das ganze «Leistungsbündel» mit 2.5% Mehrwertsteuer belastet – dem reduzierten Steuersatz für Lebensmittel und damit der Hauptleistung. Ab 1. Januar 2024 steigt der reduzierte Satz auf 2.6%.

Ticket Jahrmarkt inklusive Scooterfahrt
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