Viele Medienartikel beschäftigen sich jahraus, jahrein mit den Firmenneugründungen und Löschungen aus dem Handelsregister. Diese Daten werden dann analysiert, ins Verhältnis gesetzt, grafisch dargestellt etc., um damit Aussagen zum weiteren Verlauf der Konjunktur und zum Zustand der Wirtschaftslage zu erhalten. Das Ergebnis ist seit Jahren dasselbe: Die Unternehmensgründungen kennen nur eine Richtung – nach oben. Und das auch in Rezessionen und auch viel stärker als das Bevölkerungswachstum. Offenbar ein gutes Zeichen für den Zustand der Konjunktur. Vielleicht sogar ein Prädiktor für die weitere Entwicklung der Wirtschaftsentwicklung? Die Konkurse steigen zwar auch, aber gegründet wird trotzdem viel mehr. Alles steigt. Also alles gut?
Einen solch verzerrenden Effekt werden wir im Folgenden genauer analysieren, denn dieser wurde in den letzten Jahren immer stärker und verzerrt die Analysen immer systematischer, wenn die Aufteilung nach Firmentyp nicht berücksichtigt wird.
Kleinere Firmen werden häufiger neu gegründet
In der Tendenz sind Aktiengesellschaften die grössten Firmen mit den meisten Angestellten und den höchsten Umsätzen. Einzelunternehmen bestehen, wie der Name schon sagt, meistens aus nur einer Person. GmbHs liegen irgendwo dazwischen.
Eine Analyse des Schweizer Handelsregisters zeigt eine interessante Entwicklung. In der Grafik sehen wir, dass die GmbHs und die Einzelfirmen zusammen den Grossteil der Firmengründungen ausmachen. Ebenfalls auffallend ist, dass das Wachstum der (Anzahl) AGs deutlich schwächer ist als dasjenige der (Anzahl) GmbHs und der (Anzahl) Einzelfirmen.
Je grösser also das Unternehmen (gemessen als Kategorie seiner rechtlichen Form), desto geringeres Wachstum bei den Firmengründungen lässt sich beobachten – und das gilt sowohl in absoluten, wie auch in relativen Werten.
Das Wachstum der Firmenneugründungen setzt sich also vornehmlich aus dem Wachstum von Einzelunternehmen und in etwas geringerem Ausmass von GmbHs zusammen. Bei Neugründungen besteht also klar der Trend hin zur Einzelfirma.
Freelancer sind auf dem Vormarsch
In den USA wird schon länger diskutiert, wieso beispielsweise Steuereinnahmen weniger stark ansteigen als die Anzahl der Firmenneugründungen dies vermuten lassen würde. Vermutet wird, dass durch die grössere Verbreitung der Gig-Economy, also durch Arbeit als Freelancer, sich die Struktur der Zusammensetzung der Unternehmen ändert und sich damit auch die Qualität der neu geschaffenen Arbeitsplätze verringert. Dies hat zahlreiche Auswirkungen wie ein geringerer Aufbau von Eigenkapital in den Unternehmen, aber in der Tendenz auch eine geringere Produktivität und damit geringere Steuereinnahmen.
Prognosen mittels der Anzahl der Firmengründungen und -löschungen sind daher meistens verzerrt und damit sinnlos. Auch wir haben die Anzahl der Konkurse als Beispiel hergezogen, nicht aber um Konjunkturprognosen zu erstellen, sondern um Begriffe wie Unterbilanz, Kapitalverlust und Überschuldung zu erklären. Es handelte sich dabei jedoch nicht um eine Prognose.
Veränderungen bei den Firmentypen können auch durch regulatorische Änderungen hervorgerufen werden. Mir sind in der Schweiz als auch in den USA jedoch keine grundsätzlichen Gesetzesänderungen bei Firmengründungen oder der Besteuerung von Einzelunternehmen bekannt. Die Änderungen in der Struktur müssen also andere Ursachen haben.
Ähnliche Tendenzen auch im Ausland
Erfahrungsgemäss reagiert die Schweiz verzögert auf neue Trends und der Effekt dieser Trends wirft meistens weniger grosse Wellen als anderswo auf der Welt. Aus diesem Grund lohnt es sich, den Blickwinkel zu vergrössern und auf andere Länder zu schauen. Typische Länder für Freelancer und Gig-Workers sind Emerging Markets, denn dort sind internationale Projektarbeiten für Freelancer besonders interessant, da sie dadurch von den höheren Arbeitskosten in den entwickelten Ländern profitieren können. Leider ist gerade in diesen Ländern die Datenlage sehr schlecht, wenn nicht derart verzerrt, dass eine aussagekräftige Analyse sinnlos ist. Zusätzlich müssten in die Analyse auch regulatorische Änderungen einbezogen werden. Robustere Daten finden sich beispielsweise in den USA, wo der Trend zu Gig-Work in den letzten Jahren auch verstärkt zu beobachten war.
In der Grafik sehen wir einen dramatischen Anstieg von Firmenneugründungen in den USA, bzw. Firmen, die weniger als ein Jahr bestehen. Leider habe ich keine robusten Daten gefunden, die diese Gründungen in Kategorien (Individual Entrepreneurs, LLC, Inc etc.) herunterbricht. Ein Blick in die (sinkenden) Steuereinnahmen bei steigender Anzahl Firmen und die in den letzten zwei Jahren stark steigenden Obamacare-Anmeldungen lassen aber auch hier den Schluss zu, dass eine Mehrheit dieser Neugründungen durch Gig-Worker erfolgt, die ihr Business nun offiziell anmelden: mehrheitlich als Einzelunternehmer (US: Individual Entrepreneur), in geringerem Masse als GmbH (US: LLC) und nur wenige als Aktiengesellschaft (US: Inc).
Fazit
Die Anzahl der Firmengründungen sind durch einen überproportional wachsenden Anteil der Einzelunternehmer nach oben verzerrt und zeigen kein adäquates Bild des Zustands einer Wirtschaft. Anstatt AGs mit vielen Mitarbeitern entstehen viele Einzelunternehmen mit meist nur einem Mitarbeiter. In der Schweiz zeigt sich dieser Trend seit der Covid-Krise deutlich, wenn auch weniger stark ausgeprägt als im Ausland.
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