Durchschnitts und Grenzsteuersätze Stadt ZH
Written by Philipp Stirnemann on Juli 5, 2024 in Steuern

Standen Sie schon einmal vor der Entscheidung, mehr oder weniger verdienen zu können? Beispielsweise ging es um eine Erhöhung Ihres Arbeitspensums oder um die Frage, ob Ihre Ehefrau zusätzlich Teilzeit arbeiten soll oder nicht? In einer solchen Situation stellt sich die Frage, ob sich ein Mehraufwand tatsächlich auch lohnt bzw. wie viel netto nach Steuern tatsächlich übrigbleibt. Diese Rechnung ist gar nicht so einfach. Oder kennen Sie Ihren persönlichen Grenzsteuersatz? An dieser Stelle kann ich bereits verraten, dass dieser gar nicht so leicht herauszufinden ist.

Grenzsteuersatz vs. Durchschnittssteuersatz

Vielleicht kennen Sie ungefähr Ihren Durchschnittssteuersatz, also wie viel Prozent Ihres Einkommens Sie versteuern müssen. Aber auch diesen Steuersatz kennen wohl die wenigsten, denn erst mit dem Steuerbescheid kennen Sie Ihr steuerbares Einkommen (ausser es gibt bei Ihrer Steuererklärung keine Korrekturen, was eher die Ausnahme ist). Durch die Progression fällt Ihr Steuersatz (Durchschnittssteuersatz) desto höher aus, je höher Ihr steuerbares Einkommen ist. Die Situation verkompliziert sich zusätzlich, weil man verschiedene Rechnungen erhält, nämlich eine für die Staats- und Gemeindesteuern und dann separat noch eine für die direkte Bundessteuer. Man könnte im Nachhinein die beiden Beträge zusammenzählen und durch das Einkommen teilen – so erhielte man den (kombinierten) Durchschnittssteuersatz aus diesen beiden Steuerrechnungen. Nur, wer macht das schon.

Eine einfache Variante wäre, mit dem Online-Steuerrechner des jeweiligen Kantons eine Vorher-Nachher-Rechnung zu machen. Die Differenz dieser beiden Werte ist das Einkommen, welches man netto tatsächlich mehr bzw. weniger verdient hat. Mit dem Steuerrechner des Kantons Zürich beispielsweise muss man so diese Berechnung vier Mal durchführen, nämlich je für die Staats- und Gemeindesteuern und die direkte Bundessteuer im Vorher- und Nachher-Vergleich. Will man nun zwei verschiedene Fälle durchrechnen, muss man den Rechner bereits acht Mal benutzen. Bisschen mühsam das alles. Praktischer wäre es doch, den entsprechenden Steuersatz zu kennen, mit dem das zusätzliche Einkommen dann auch tatsächlich versteuert wird. Dieser Steuersatz hat einen Namen: Der Grenzsteuersatz (engl.: Marginal Tax Rate).

Ein solcher Grenzsteuersatz (oder auch den Durchschnittssteuersatz) sollte sich für seine eigene Wohngemeinde locker finden lassen – würde man denken. Nachdem weder die ersten fünf Google Ergebnisse, noch eine Anfrage bei ChatGPT befriedigende Antworten geliefert haben, muss man sich mit dem Thema offenbar doch vertiefter auseinandersetzen.

Staats- und Gemeindesteuern

Die Staats- und Gemeindesteuern basieren auf der einfachen Staatssteuer. Die einfache Staatssteuer bildet quasi die Basis der Steuerberechnung für Kanton und Gemeinde, welche durch die Steuerfüsse hoch oder runterskaliert wird. Für die Stadt Zürich betragen die Steuerfüsse 98% (Kanton) und 119% (Gemeinde), also total 217% der einfachen Staatssteuer. In der Grafik ist Skalierung um 217% abgebildet (von schwacher zu starker Linie) abgebildet – für den Durchschnitts- und den Grenzsteuersatz.

Dazu kommen die direkten Bundessteuern, die vom Steuerzahler mit einer separaten Rechnung bezahlt werden müssen. In der Grafik ist wiederum der Durchschnitts- und der Grenzsteuersatz abgebildet.

Die Summe der Staats- und Gemeindesteuern (in der Grafik SGS) und der direkten Bundessteuer (in der Grafik DBS), ergibt die Gesamtlast an Steuern auf das Einkommen. Daraus lassen sich die effektiven Steuersätze berechnen, welche auf das Einkommen abgeführt werden müssen. In der Grafik sind das die beiden orangen Linien: Die abgestufte dicke Line zeiget den Grenzsteuersatz, die glatte feine Linie den Durchschnittssteuersatz.

Lesebeispiel:

Bei einem steuerbaren Einkommen von CHF 90’000 ergibt sich ein Durchschnittssteuersatz von 15% und ein Grenzsteuersatz von 26.1%. Von den CHF 90’000 müssen also 15% x CHF 90’000 = CHF 13’500 an Steuern bezahlt werden. Verdient man auf diesem Level CHF 1000 mehr, hat man effektiv nur CHF 739 netto mehr in der Tasche.

Der Grenzsteuersatz erhöht sich mit steigendem Einkommen auf über 40%, während der Durchschnittssteuersatz an jedem Punkt tiefer liegt als der Grenzsteuersatz. Dies ist übrigens auch die Definition einer progressiven Steuer. An den Kurven ist zudem schön zu sehen, dass die direkte Bundessteuer (grau) progressiver ausgestaltet ist als die Staats- und Gemeindesteuer im Kanton Zürich (gelb).

Anwendungen des Grenzsteuersatzes

Wie man sieht, ist die resultierende Kurve für den Grenzsteuersatz der Stadt Zürich keine triviale Angelegenheit mehr und daher verwundert es auch nicht, wenn die wenigsten ihren Grenzsteuersatz kennen. Und trotzdem gibt es zahlreiche nützliche Anwendungsbereiche in der Praxis für den Grenzsteuersatz. Das eingangs geschilderte Beispiel einer Veränderung des Arbeitspensums ist nur eine solche Situation.

In Kombination mit steuerlichen Abzügen und staatlichen Zuschüssen kann – vor allem bei tiefen Einkommen – sogar die skurrile Situation auftreten, dass der Grenzsteuersatz über 100% beträgt. In einem solchen Extremfall kann es passieren, dass zusätzliches Einkommen netto sogar zu weniger verfügbarem Einkommen führen kann.

Interessant sind Entscheidungen mittels Grenzsteuersätzen beispielsweise auch für Unternehmer, die vor der Entscheidung stehen, wie viel Lohn sie sich auszahlen wollen, vor allem, wenn damit die Progression gebrochen werden kann. Die Situation wird dann allerdings noch komplexer, da zusätzlich die Frage der direkten Lohnabzüge (Sozialbeiträge, Versicherungen, BVG) in die Rechnung einbezogen werden muss.

Doch davon mehr beim nächsten Mal, wenn ihr mich wiederseht. Ihr müsst unbedingt gucken, wies weitergeht…

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