Korrekte Berechnung und Auszahlung von Überstunden in der Schweiz
Written by VP on November 5, 2024 in Lohnbuchhaltung

Obwohl die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit pro Vollzeitäquivalent in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 46 Minuten zurückging, leisten die Angestellten gemäss aktuellen Daten mehr Arbeitszeit als vertraglich vereinbart wurde.  Allerdings sind Arbeitgeber nicht immer sicher, welche Pflichten ihnen gegenüber entstehen. Gleichzeitig ist es Arbeitnehmern nicht immer bewusst, wie ihre Zusatzleistungen am Arbeitsplatz vergütet werden müssen. Daraus entstehen nicht selten Fehler in Lohnabrechnungen.

Wir versuchen im Folgenden, in das Thema einzuführen, um Ihnen übersichtlich zu demonstrieren, wie die Kompensation der Zusatzleistungen eines Arbeitnehmers in der Lohnabrechnung richtig erfasst werden soll. Die gesetzlichen Vorschriften sowie praxisbezogenen Berechnungsbeispiele spielen dabei eine zentrale Rolle.

Wie viel Überzeit leisten Schweizer Arbeitnehmer?

Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik haben Schweizer Arbeitnehmer im Jahr 2023 im Durchschnitt etwa 1,6 % mehr gearbeitet, als vertraglich festgelegt wurde. Dieser Parameter, die sogenannte Überstundenquote, unterscheidet sich je nach Wirtschaftszweig wesentlich: Den ersten Platz belegt die Branche «Kredit- und Versicherungsgewerbe» mit 2,9%, während die Branchen «Öffentliche Verwaltung», «Land- und Forstwirtschaft» sowie «Verkehr und Lagerhaltung» sich durch die niedrigsten Zahlen von etwa 0,7 bis 0,8% auszeichnen. Anzumerken ist, dass es sich um offizielle, gemeldete Zahlen handelt. In der Praxis dürften Überzeit und Überstunden bedeutend höher liegen. Nichtsdestotrotz unterstreichen diese Daten, dass die Frage zu Überstunden und Überzeit für jede Branche eine hohe Relevanz aufweist. Nun, was ist der Unterschied zwischen den Begriffen?

Überstunden vs. Überzeit

Es ist nicht allen bewusst, dass Überstunden nicht gleich Überzeit sind. Unter Überstunden versteht man Arbeitsstunden, die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen. Überzeit hingegen spiegelt die Arbeitszeit wider, die die gesetzliche Höchstarbeitszeit – je nach Branche von 45 bzw. 50 Stunden pro Woche – übersteigt. Das bedeutet, Überzeit stellt nur einen Teil der Überstunden dar, sofern die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschritten wird.

Überstunden vs. Überzeit

Was sagt das Schweizer Gesetz zu Überstunden?

Kompensation für Überstunden und Überzeit

Die Unterscheidung zwischen Überstunden und Überzeit ist entscheidend für die Berechnung der möglichen Auszahlung. Der Grund dafür liegt in der Möglichkeit, im Arbeitsvertrag Bedingungen festzulegen, die vom gesetzlichen Standard abweichen können.

Für entstandene Überstunden können folgende Lösungen vereinbart werden:

  • Zuschlag nach Vereinbarung
  • Ausgleich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit
  • Keine Vergütung

Für Überzeit dagegen gelten folgende Regelungen:

  • Zuschlag von mindestens 25%
  • Ausgleich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit

Der Arbeitgeber ist gesetzlich dazu verpflichtet, die geleistete Überzeit zu kompensieren, während die Kompensation der Überstunden erst dann gesetzlich verpflichtend ist, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart wurde. Die Bedingungen zur Auszahlung von Überstunden können gemäss OR Art. 321 c im Vertrag flexibel vereinbart werden.
In der Praxis kommt es manchmal vor, dass der Arbeitgeber die Überstunden nicht vergütet, da diese bereits im vereinbarten Lohn inbegriffen sind. Nur Überzeit muss nach Gesetz vergütet werden.

Gesetzlich festgelegte Grenzen der Überzeit

Die Grenzen der Überzeit sind vom Gesetzgeber im Arbeitsgesetz, ArG Art. 12 und festgelegt.

  • Überzeit: maximal 2 Stunden pro Tag, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen;
  • Maximale Überzeit im Kalenderjahr: 170 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden;
  • Maximale Überzeit im Kalenderjahr: 140 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden.

In Art. 9 ArG geht es ins Detail zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit:

  • Höchstarbeitszeit von 45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels;
  • Höchstarbeitszeit von 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer.

Art 13 ArG regelt die gesetzlich festgelegte Kompensation für geleistete Überzeit:

Lösung A:

Ausgleich durch Freizeit von gleicher Dauer innerhalb eines angemessenen Zeitraums.

Lösung B:

  • Lohnzuschlag von mindestens 25% für das Büropersonal sowie für technische und andere Angestellte, das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels für Überzeitarbeit, die 60 Stunden im Kalenderjahr übersteigt.
  • Lohnzuschlag von mindestens 25% für andere Kategorien des Personals.

Wenn die Variante B zum Einsatz kommt, sollte der Auszahlungsbetrag mehrstufig berechnet werden.

Auszahlung von Überstunden

Falls eine Auszahlung von Überstunden mit Ihrem Arbeitgeber vereinbart ist, muss zuerst der Stundenlohn auf Basis des Monatslohnes berechnet werden. Für diese Berechnung findet folgende Formel Anwendung:

Stundenlohn = Jahresverdienst / Anzahl wöchentlicher Arbeitsstunden X 52 (Anzahl Wochen im Jahr)

Dabei können, je nach Auszahlung des 13. Lohnes, zwei unterschiedliche Variationen vorkommen:

  1. Jahresverdienst = Monatlohn X 12
  2. Jahresverdienst = Monatlohn X 13

Nun werfen wir einen Blick auf die häufigsten Beispiele, wie Überstunden je nach konkreter Situation berechnet werden.

Beispiele einer Überstundenabrechnung

Situation 1

Der Arbeitnehmer ist im Monatslohn mit einem Bruttolohn von CHF 6000 angestellt. Gemäss Vereinbarung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden, und sämtliche Überstunden werden mit einem Zuschlag von 25% vergütet. Ein 13. Monatslohn ist bei dem Arbeitgeber nicht vorgesehen. Im Juli 2024 hat er 199 Std. anstatt der vorgesehenen 189 Std.  gearbeitet. Wie hoch ist sein Bruttolohn im Juli 2024?

Berechnung 1

Jahresverdienst = CHF 6000 X 12 = CHF 72 000

Stundenlohn = CHF 72 000 / 42 (Arbeitsstunden pro Woche) X 52 (Anzahl Wochen) = CHF 32.96

Vergütung für die geleisteten Überstunden im Juli 2023 = CHF 32.96 X 10 X 1.25 = CHF 412.09

Situation 2

Der Arbeitnehmer ist im Monatslohn mit einem Bruttolohn von CHF 7500 angestellt. Gemäss Vereinbarung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden, und sämtliche Überstunden werden mit einem Zuschlag von 25% vergütet. Der 13. Monatslohn wird bei dem Arbeitgeber am Jahresende ausgezahlt. Im Juli 2024 hat er 199 Stunden anstatt der vorgesehenen 189 Stunden gearbeitet. Wie hoch ist sein Bruttolohn im Juli 2024?

Berechnung 2

Jahresverdienst = CHF 7500 X 13 = CHF 97’500

Stundenlohn = CHF 97’500 / 40 (Arbeitsstunden pro Woche) X 52 (Anzahl Wochen) = CHF 46.88

Vergütung für die geleisteten Überstunden im Juli 2023 = CHF 46.88 X 10 Std. X 1.25 = CHF 585.94

Situation 3

Der Arbeitnehmer ist im Monatslohn mit einem Bruttolohn von CHF 5’000 angestellt. Gemäss Vereinbarung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden. Überstunden werden erst dann mit einem Zuschlag von 25% in der Lohnabrechnung kompensiert, sofern diese die Schwelle der Überzeit übersteigen, d.h. höher als 45 Stunden pro Woche sind. Der 13. Monatslohn wird bei dem Arbeitgeber am Jahresende ausgezahlt. Im Juli 2024 hat er 209 Stunden anstatt der vorgesehenen 189 Stunden geleistet. Wie hoch sollte seine Vergütung für die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden im Juli 2024 sein?

Berechnung 3

Grundsätzlich handelt es sich in diesem Fall um die Vergütung nur der geleisteten Arbeit während der Überzeit.

Jahresverdienst = CHF 5000 X 13 = CHF 65 000

Stundenlohn = CHF 65 000 / 42 (Arbeitsstunden pro Woche) X 52 (Anzahl Wochen) = CHF 29.76

Grenze der Überzeit pro Tag = 45 Std. / 5 Tage = 9 Std. pro Tag

Überzeit = 209 Std – (23 Arbeitstage Std X 9 Std. pro Tag) = 2 Std.

Vergütung der Überzeit = 2 Std. X CHF 29.76 X 1.25 = CHF 74.40

Fazit

Um die Auszahlung für die von Ihrem Arbeitnehmer geleisteten Überstunden berechnen zu können, sollten Sie den Jahresverdienst ermitteln und anschliessend den Zuschlag sowie die Anzahl der vergüteten Überstunden berücksichtigen. Die Abrechnung der Überstunden basiert auf dem Prinzip, dass der Stundenlohn auf Basis des Jahresverdienstes berechnet werden soll. Bei der finalen Abrechnung sollten zudem weitere Faktoren einkalkuliert werden, wie der vereinbarte oder gesetzlich vorgesehene Zuschlag sowie die Anzahl der Überstunden, die an den Mitarbeiter durch eine Auszahlung vergütet werden müssen. Im Endeffekt erhält der Mitarbeiter seine korrekt vorbereitete Lohnabrechnung, die die Zusatzleistung widerspiegelt.

Expertentipp!

Haben Sie das Gefühl, dass Sie bei diesen Fragen externe professionelle Unterstützung benötigen? Wenn Sie eine ausführlichere Beratung zum Thema «Überstunden und Überzeit», steht die Treuhand-Experten von abrechnungen.ch gerne zur Verfügung.

1 Comment
Marc

Dezember 6, 2024 @ 07:38

Reply

Ich frage mich gerade, wie da um den Aussendienstler auf Provisionsbasis steht. Je mehr Abschlüsse er macht, desto grösser ist der Lohn. Er kann wählen, wie viele potentielle Kunden er zugewiesen haben will, doch wird erwartet, dass er möglichst viele Abschlüsse macht. Zudem muss aber auch Funktionen/Arbeiten übernehmen, die eigentlich dem Innendienst obliegen und da gibt’s Vakanzen?

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